BREITENBRUNN – EIN KLEINES DORF MIT GROSSER GESCHICHTE
Wen die mittelalterliche Geschichte der Odenwaldgemeinde Breitenbrunn interessiert, der wird von der einschlägigen Literatur zunächst auf zwei Urkunden des 13. Iahrhunderts verwiesen, welche die frühesten urkundlichen Nennungen dieser landschaftlich reizvoll gelegenen Höhensiedlung darstellen sollen. 1273 verkaufte Marquard von Rosenbach umfangreiche Güter an das Kloster Höchst, darunter ein Gut zu „Breidenburnen”. 1282, neun Jahre später, veräußerte Marquards Sohn Ulrich mehrere Güter in Breitenbrunn mit Zubehör und „Gerichten” (wohl die Dorfgerichtsbarkeit) an das gleiche Kloster.
ln breubergisch-Wertheimischen Zinsregistern des 15. Jahrhunderts begegnen uns die klösterlichen Güter wieder; es sind neun an der Zahl, die an die Höchster Nonnen Abgaben zu entrichten haben. Die gleiche Anzahl ist den Herren von Bickenbach auf Burg Klingenberg Zins schuldig, während den Grafen von Wertheim, als damaligen Herren auf Burg Breuberg, von acht Gütern Leistungen zustanden. Diese Verhältnisse lassen zunächst an eine frühe grundbesitzmäßige Dreiteilung des Dorfes denken.
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Damit wäre eigentlich das meiste gesagt, was sich dem bisher bekannten mittelalterlichen Urkundenmaterial entnehınen läßt. Es ist wenig, läßt viele Fragen offen, nicht allein die nach der Herkunft der rosenbachischen, breubergischen und bickenbachischen Rechte, denn weit mehr als die herrschaftlichen liegen die kirchlichen Verhältnisse im Dunkeln.
Daß jedoch die vorstehenden Worte nicht die Schlußbemerkung dieses Beitrages zu bilden brauchen, verdanken wir einem alten Urbar, das im fernen Staatsarchiv Bamberg erhalten blieb. Neben einigen weiteren Archivalien ist es insbesondere der Inhalt dieses um 1120 angelegten Güterverzeichnisses, der die Historie des Odenwalddörfchens Breitenbrunn schlagartig in ein helleres Licht taucht und sie deutlich von der seiner Nachbargemeinden abhebt.
Warum so wichtige Unterlagen zur frühen Geschichte Breitenbrunns in dem für uns entlegenen Bamberg am Obermain zu finden sind, hat seinen Grund. Wesentliche Bestandteile der Siedlung Breitenbrunn sind nämlich – sehr wahrscheinlich in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts – an das Domstift des 1007 von Kaiser Heinrich II. gegründeten Bistums Bamberg gekommen. Diese Schenkung – eine solche war es bei der entfernten Lage zu Bamberg bestimmt – umfaßte noch weiteren Odenwald-Untermain-Besitz, so das komplette Dorf Hausen hinter der Sonne (Wüst bei Mömlingen) und umfangreiche Güter in Leider (bei Aschaffenburg), Niedernberg am Main und Momlingen sowie Streubesitz in Neustatt (Neustädter Hof bei Mömlingen), Hainstadt und Biebigheim (Wüst bei Wenigumstadt).
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Die an Bamberg gekommenen Güter und Rechte umfaßten in Breitenbrunn – die Kirche mit gesamtem Zehnt, den Marktzoll und Abgaben von Neubrüchen (=Neuordnungsland). Im Klartext bedeutet dies: Bereits im 11. Jahrhundert, wahrscheinlich sogar noch einige Zeit früher (da bestimmt nicht erst kurz vor der Schenkung gegründet), besaß die durch jüngere Rodungen erweiterte Siedlung Breitenbrunn eine Kirche und – als einziges Dorf weit und breit – ein eigenes Marktrecht! Damit rückt Breitenbrunn in den Kreis der Gemeinden, denen für das hohe Mittelalter ein besonderer Stellenwert beigemessen werden muß. (…)
Aus: 825 Jahre Lützelbach; Wolfgang Hartmann; BREITENBRUNN – EIN KLEINES DORF MIT GROSSER GESCHICHTE